Dienstag, 27. Dezember 2011
Dr. Jekyll and Mr. Hyde
Gestern doch noch mit der Mutter zum Herrn Vater gefahren. Geschlagene zwei Stunden hat er mich kaum beachtet. Nur ein Mal, als ich meinen schmerzenden Fuss hochlagern wollte und er sich beinahe drauf setztem mit der Begründung: "nur ein Stuhl pro Person". Als ob es zu wenige davon gäbe. "Was ist eigentlich mit deinem Fuss?", fragt er "Morbus-Köhler." "Und was bedeutet das?" "Ich soll möglichst nicht herumlaufen und auf den unwahrscheinlichen Fall einer Spontanheilung hoffen. Falls diese nicht eintritt, wird eben operiert." Und dann fängt er an, mich herumzuschicken, ich solle noch dies und jenes holen, dann würde ich schon sehen, wie hypochondrisch ich veranlagt sei. Später verlasse ich unbemerkt die Wohnung.

*

Heute plötzlich ein Anruf. Er hätte da was für mich, das er mir noch unbedingt als Geschenk von S überreichen müsse. Er holt mich mit dem Auto ab, fährt mich danach auch wieder nach Hause. Wie ausgewechselt ist er. Er erkundigt sich nach dem Fuss, bietet an, mich auch mal herumzufahren, wenn ich Erledigungen habe. Über den gestrigen Tag sagt er kein Wort. Auch nicht über mein Verschwinden.


Diese Verwandlungen bei ihm bin ich mir schon seit immer gewohnt. An einem Tag so, am nächsten so. Manchmal wechselt es auch innerhalb von Minuten. Beängstigend daran finde ich, dass diese Verhaltensänderungen in keinster Weise vorhersagbar sind. Selbst, wenn er etwas ganz dringend braucht, dann kann die "böse" Seite zu Vorschein kommen – auch wenn er weiss, dass er es so bestimmt nicht bekommt. Umgehen müsste ich damit lernen.